Vergleichende osteologische Untersuchungen am postcranialen Skelett von Propalaeochoerus pusillus (Suoidea) aus der untermiozänen Karstspaltenfüllung Tomerdingen (SW-Deutschland)
Abstract
Das postcraniale Skelettmaterial von Propalaeochoerus pusillus aus der untermiozänen (MN1) Spaltenfüllung Tomerdingen (Deutschland, Baden-Württemberg) wird untersucht und mit demjenigen des rezenten Sus scrofa (Suidae) und des Tayassu tajacu/pecari (Tayassuidae) verglichen. Propalaeochoerus pusillus war bereits odontologisch beschrieben und charakterisiert worden (Hellmund 1992). Überraschender Weise zeigt das Extremitätenskelett von P. pusillus im Unterschied zur Bezahnung kaum tayassuide Anpassungen, sondern erweist sich als weitgehend plesiomorph. Dies äußert sich in einer fehlenden Verwachsung von Radius/Ulna und der Metacarpalia bzw. Metatarsalia III und IV. Offenbar zeichnet sich hier ein diachroner, „mosaikartiger“ Entwicklungsmodus ab. Die Gebisse, insbesondere die Canini und die Molaren aus Tomerdingen sind unzweifelhaft „tayassuid“ und der „modernen“, rezenten Konfiguration weitgehend entsprechend ausgebildet, während das Skelett primitiv, generalisiert und undifferenziert „suid“ ist. Inwieweit diese Gebissmorphologie einen phylogenetischen Zusammenhang mit den Tayassuidae begründet oder ob es sich dabei um eine frühe Parallelentwicklung handelt, kann an Hand der vorgenommenen Vergleiche nicht entschieden werden. Es erscheint in diesem Zusammenhang sinnvoll, Propalaeochoerus vorerst in die Überfamilie Suoidea einzuordnen und die Zuweisung in eine der Familien Suidae, Palaeochoeridae oder Tayassuidae noch bzw. wieder offen zu lassen. Einer der wenigen sonst noch bekannten Extremitätenfunde aus dem Unter-/Mittel-Miozän Mitteleuropas stammt von Steinheim am Albuch (MN7). Es handelt sich um ein Autopodium von Conohyus simorrensis, dessen Seitenmetapodien noch weniger reduziert sind als bei Propalaeochoerus und damit die Zuordnung dieses Genus zu den Suidae bestätigen. Inwieweit sich die tayassuide Morphologie von Zygo- und Autopodium in der Alten Welt oder in der Neuen Welt (z. B. in den südlichen USA, in Mittelamerika oder im nördlichen Südamerika) herausgebildet hat, muss beim gegenwärtigen Kenntnisstand ebenso dahingestellt bleiben.