Skelettrekonstruktion von Propalaeotherium hassiacum (Equidae, Perissodactyla, Mammalia) basierend auf Funden aus dem eozänen Geiseltal (Sachsen-Anhalt, Deutschland)
Abstract
Erstmalig wird eine dreidimensionale Skelettrekonstruktion eines Perissodactylen, Propalaeotherium hassiacum HAUPT, erarbeitet und eingehend beschrieben. Dabei wird auch auf die Chronologie zur Erforschung des Genus Propalaeotherium GERVAIS eingegangen. Der außergewöhnliche, bisweilen dreidimensionale Erhaltungszustand des Fossilmaterials aus dem eozänen Geiseltal, insbesondere der Einzelknochen aus der reichhaltigen Wirbeltierfundstelle XIV (untere Unterkohle), ermöglichte dieses Projekt. Die Einbeziehung artikulierter Funde aus Messel bot notwendige Ergänzungen und zusätzliche Detailvergleiche zu den isolierten Knochen aus der Geiseltalsammlung. Bei der Rekonstruktion standen die Identifizierung bzw. die Abgrenzung des Knochenmaterials von Propalaeotherium von ähnlichen, zeitgleich vorkommenden Säugern der Geiseltalfauna am Anfang, z. B. die Abgrenzung von Hyrachyus und Hallensia . Beim Zusammenfügen der Einzelknochen zum Skelettverband spielen deren Artikulation und die Passform untereinander, z. B. bei der Wirbelsäule, sowie die potentiell ausführbaren Bewegungen eine entscheidende Rolle. Weitere Anhaltspunkte für den Aufbau des Skelettes von Propalaeotherium hassiacum ergaben sich aus der Körperhaltung fossiler Equiden-„Wasserleichen" und aus Analogien zur Körperform rezenter afrikanischer Ducker und deren Lebensweise. Der sich aus der Rekonstruktion des Skelettes abzeichnende Habitus weist nämlich typische Merkmale von vorwiegend im Urwalddickicht lebenden Buschschlüpfern auf. Darauf deuten bei Propalaeotherium der bogenförmige, leicht überbaute Rücken (Kruppe), der kurze Hals und der keilförmige Brustkorb hin. Es bestehen morphologische Ähnlichkeiten im Bauplan zwischen dem primitiven Perissodactylen Propalaeotherium und dem rezenten Artiodactylen Cephalophus zebra (Zebraducker). Die präparatorisch-technische Seite der Rekonstruktion sowie die Montage des Skelettes werden eingehend dargestellt. Die erarbeitete Skelettmontage ist in der Dauerausstellung des Geiseltalmuseums aufgestellt; das Skelett ist in Schrittstellung montiert, d. h. die linke Vorderextremität ist angehoben, das „Tier" setzt sich soeben in Bewegung. Die Skelettmontage wird zusammen mit dem bereits 1933 in Fundlage geborgenen artikulierten Skelett von Propalaeotherium isselanum (CUVIER) zu didaktischen Zwecken genutzt. Der Bau der Autopodien von Propalaeotherium, die Vierzehigkeit vorn und die Dreizehigkeit hinten, ist charakteristisch für einen primitiven Vertreter der Equidae. Die im Verlauf der letzten 70 Jahre publizierten, vorwiegend auf zeichnerischer Basis entstandenen Rekonstruktionen werden einander gegenübergestellt und diskutiert. Durch das reiche Vorkommen sowohl im Geiseltal als auch in Messel ist Propalaeotherium hassiacum zu einem wissenschaftlich besonders gut untersuchten fossilen Säugetier des terrestrischen unteren Mitteleozäns (MP 11) in Europa geworden.
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